Freitag, 26. Oktober 2007

¡venceremos!

„sigan ustedes sabiendo que, mucho más temprano que tarde, se abrirán de nuevo las grandes alamedas por donde pase el hombre libre, para construir una sociedad mejor. ¡viva chile! ¡viva el pueblo! ¡vivan los trabajadores! estas son mis últimas palabras, teniendo la certeza de que mi sacrificio no será en vano. tengo la certeza de que, por lo menos, habrá una sanción moral que castigará la felonía, la cobardía y la traición.“

„ihr sollt wissen, dass sich früher als später die breiten alleen wieder öffnen, auf denen freie menschen gehen werden, um eine bessere gesellschaft zu errichten. es lebe chile! es lebe das volk! es leben die arbeiter! dies sind meine letzten worte, gesprochen in der gewissheit, dass mein opfer nicht umsonst gewesen sein soll. ich habe die gewissheit, dass es zumindest eine moralische bestrafung für diesen treuebruch, den verrat und diese feigheit geben wird!“


dies war die letzte rede von salvador allende, dem chilenischen präsidenten, gehalten am 11. september 1973 in der moneda, dem präsidentenpalast chiles und übertragen von radio magellanes. kurze zeit später war er tot, erschossen entweder von den putschisten oder von eigener hand.

einige stunden zuvor erhob sich das militär gegen die regierung und stellte dem präsidenten ein ultimatum für den rücktritt, welches dieser ausschlug und sich stattdessen mit einigen getreuen in der moneda verbarrikadierte. in der folge begannen um 11.55 uhr flugzeuge die moneda in schutt und asche zu schiessen, während armeeeinheiten in das gebäude vorrückten. widerstand hatte keine chance, und somit war das ende der letzten demokratisch gewählten regierung chiles bis 1989 besiegelt.


die vorgeschichte

zur chilenischen präsidentschaftswahl 1970 trat mit der unidad popular (up) ein bündnis aus parteien des gesamten linken spektrums sowie der christdemokraten an. spitzenkandidat war der promovierte arzt salvador allende. das wahlprogramm sah verstaatlichungen der bergbauindustrie, der telefongesellschaften sowie anderen großindustrien vor. weiterhin wollte die unidad popular eine große landreform durchführen, da in chile immer noch ein koloniales system vorherrschte und ein geringer teil der bevölkerung über große teile des landes verfügte.

schon vor der wahl rumorte es in chiles gesellschaft; es gab vielerlei aktionen, diskussionen und demonstrationen. die rechte wurde massiv von den vereinigten staaten unterstützt, die einen weiteren kommunistischen staat in ihrem „hinterhof“ definitiv nicht haben wollten. besonders die geplanten enteignungen der amerikanischen unternehmen itt (telefondienstleister), dupont (sprengstoff), united fruit (bananen) sowie von banken, teilweise us-amerikanische tochterunternehmen, waren den usa ein dorn im auge.

„the issues are much too important for the chilean voters to be left to decide for themselves”
(us-sicherheitsberater henry kissinger)
also wurde bereits 1970 ein militärputsch geplant, wozu der verfassungstreue chilenische generalstabschef rene schneider von einem von den usa finanzierten killerkommando entführt wurde. daraufhin sollte das militär die macht übernehmen, was allerdings nicht gelang.

revolución con empanadas y vino tinto“
(„revolution mit empanadas und rotwein“, salvador allende; gemeint war der friedliche übergang zu einem „besseren system“ durch wahlen)
somit wurde einige tage später, am 4. september 1970, salvador allende als weltweit erster demokratisch gewählter marxistischer staatspräsident vereidigt. dessen politik war in der anfangszeit sehr erfolgreich, das chilenische bruttosozialprodukt wuchs um 7,7%, das produktionsvolumen um 13,7%, die arbeitslosigkeit sank von 8,3% auf 3,8% und die inflationsrate ging von 34,9% auf 22% zurück. die großen industrien, allen voran der kupferbergbau, gingen in den staatsbesitz über, während durch die landreform etwa 2,5 millionen hektar bewirtschafteten landes enteignet wurden. soziale maßnahmen wie der bau von 4.500 wohnungen für obdachlose in santiago, kostenlose medikamente und gesundheitsversorgung sowie ein halber liter kostenloser milch für schulkinder wurden ergriffen. von all diesen erfüllten wahlversprechen profitierten hauptsächlich die pobladores, die verarmten bevölkerungsschichten.

„make the economy (in chile) scream to prevent allende from coming to power or to unseat him“
(us-präsident richard nixon)

doch dieses hoch währte nicht lange. das ausland, allen voran die usa reagierten mit boykotten auf die enteignungen: kredite wurden gesperrt, ersatzteillieferungen verweigert und kupferlieferungen wurden beschlagnahmt. die oberklasse chiles reagierte ihrerseits mit investitionsweigerungen und konsumsteigerungen. all diese maßnahmen zogen volkwirtschaftliche konsequenzen nach sich, denen die unidad popular nichts entgegensetzen konnte.

was folgte, hatte eine gewisse eigendynamik: arbeiter übernahmen betriebe von unternehmern, die offen gegen die sozialistischen maßnahmen waren, mapuche (ureinwohner) besetzten ländereien, da ihnen die landreform nicht zügig genug voranging, und auch die opposition warf durch streikaufrufe immer neue kohlen ins feuer.

da eine friedliche machtablösung nicht mehr möglich schien (die unidad popular gewann die parlamentswahlen 1973 mit 43%), setzte die us-unterstützte opposition verstärkt auf konfrontation: die regierung wurde für verfassungsfeindlich erklärt und neue, massive streikaufrufe wurden veröffentlicht. ein putschversuch im juni 1973 scheiterte.

am 9. september verkündete allende, eine volksbefragung über die zukunft der unidad popular durchführen zu lassen, wozu er allerdings nicht mehr kam. nur zwei tage später erfolgte der putsch durch generalstabschef augusto pinochet, der erst einen monat zuvor dazu ernannt worden war.

es begann die düstere zeit der chilenischen militärjunta.



die diktatur

„estamos en guerra, señores“
(„wir sind im krieg, meine herrschaften“, augusto pinochet)
die junta (bestehend aus den jeweiligen oberkommandierenden von armee, polizei, luftwaffe und marine) wälzte die gesellschaftlichen strukturen in chile massiv um; sämtliche parteien wurden verboten, die verfassung außer kraft gesetzt und oppositionelle, intellektuelle sowie künstler wurden verhaftet. folterungen, verhöre, verschleppungen waren an der tagesordnung. konzentrationslager wurden eingerichtet, unter anderem im estadio nacional, in der atacama-wüste und im feuerland-archipel. auch in der berüchtigten, deutschstämmigen colonia dignidad wurde gefoltert. der kampf gegen die subversion nahm seinen lauf, regimekritiker wurden wie auch in argentinien lebend über dem meer abgeworfen. selbst im ausland ließ pinochet morden (washington, buenos aires).


angesichts des chaos, das in chile geherrscht hat, erhält das wort „ordnung“ für die chilenen plötzlich wieder einen süßen klang."
(franz-josef strauß, csu, nach dem putsch)
wirtschaftlich ließ pinochet den chicago-boys, einer gruppe von chilenischen ökonomen, die in chicago bei milton friedman studiert haben, freie hand. diese wollten den neoliberalismus nach chile bringen, mit massiven reprivatisierungen, reduzierung der importzölle sowie umfangreichen privaten vorsorgesystemen; also wirtschaftlich genau dem entgegengesetzen system der vorhergehenden regierung. auch die sanktionen des auslandes wurden eingestellt. folge war ein wiedererstarken der wirtschaft bei einem gleichzeitigen starken aufklaffen der sozialen schere – die armen wurden immer ärmer, die reichen immer reicher.

dadurch gab es natürlich starke spannungen, trotz verboten gab es immer mehr widerstand gegen das militärregime; es gab demonstrationen und bewaffnete untergrundorganisationen. Auch das ausland reagierte und begann das regime mehr und mehr zu ächten.

ende der 80er jahre wollte pinochet sein regime national als auch international legitimieren und führte eine volksbefragung durch, die er prompt verlor. in folge dessen wurde patricio alywin am 11. märz 1990 unter demokratischen bedingungen zum präsidenten gewählt, während pinochet sich zum senator auf lebenszeit ernannte und oberbefehlshaber der streitkräfte blieb.


die folgen

pinochet wurde in chile nie angeklagt, zum einen aufgrund seiner immunität als senator, zum anderen, weil die gesellschaft stark gespalten war und es trotz vieler gegner auch noch sehr viele anhänger gab, unter anderem auch in der justiz.

erst 1998 wurde er aufgrund eines spanischen haftbefehles in grossbritannien festgenommen und unter hausarrest gestellt. die folgenden zwei jahre stritten anwälte, staatsanwälte und richter darum, ob man ihn vor gericht stellen dürfe oder nicht, schliesslich war er ja schon weit über 80. aus gesundheitlichen gründen und auf bitten der chilenischen regierung wurde er dann freigelassen.

wieder in chile eingetroffen, wurde seine immunität aufgehoben und erneut hausarrest verhängt. zu einem verfahren kam es bis zu seinem tod am 3. dezember 2006 nicht. einige monate vor seinem tod ließ er eine rede verlesen, in dem er seine diktatur rechtfertigte und um einen schlusstrich unter der vergangenheit warb. die gefolterten und ermordeten wurden mit keinem wort erwähnt. an seinem grab zeigten anhänger den hitlergruß, während auf der alameda sowie dem plaza italia erst gefeiert wurde, dann steine flogen.

we didn't do it. I mean we helped them, created the conditions as great as possible"
(us-sicherheitsberater henry kissinger in einem bericht an präsident richard nixon zum putsch in chile)
aus dokumenten des cia kam zum vorschein, dass die usa die wahl allendes zum präsidenten mit 7 millionen dollar verhindern wollte. Als dies nicht gelang, investierten sie noch einmal 10 millionen dollar, um geheime aktionen zum sturz allendes durchzuführen. das militärregime wurde mit 290 millionen dollar jährlich unterstützt.

henry kissinger, der mit die meisten aktivitäten gegen die demokratisch gewählte regierung durchführen ließ, erhielt 1973 den friedensnobelpreis (für verhandlungen mit vietnam).

die moneda wurde wieder neu errichtet und beherbergt heute wieder die regierung (nicht das parlament, das sitzt in valparaíso) sowie ein museum.

insgesamt sind während des regimes etwa 3.000 menschen verschwunden, während mehrere 10.000 gefoltert wurden.

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