auch kulturell hat kolumbien viel zu bieten. sowohl der vallenato als auch der beruehmte cumbia kommt von dort, und calí gilt als hochburg des salsa. mit gabriel garcía marquez (hundert jahre einsamkeit, liebe in zeiten der cholera) kommt einer von lediglich drei suedamerikanischen literaturnobelpreistraegern aus kolumbien. bogotá ist die "welthauptstadt des buches 2007". ausserdem gibt es eine zwar kleine, aber feine filmindustrie (empfehlenswert: "la virgen de los sicarios"; "maria voll der gnade").
kolumbien hat, wie viele andere laender suedamerikas auch, eine grosse ethische vielfalt - so gibt es mestizen, mischlinge aus indígenas und weissen, welche die groesste bevoelkerungsgruppe stellen; afrokolumbianer, welche nachfahren von aus afrika eingefuehrten sklaven sind; die weissen nachfahren der spanischen conquistadores sowie die reinen indígenas, die heute lediglich 1% des bevoelkerungsanteiles stellen und tief in den anden leben.
zum anderen ist kolumbien (leider) sehr vielfaeltig und reichhaltig, was seine konflikte und konfliktparteien betrifft. schon vor der unabhaengigkeit 1819 war es austragungsort von kriegen, die im kern bis heute anhalten und das land mal mehr, mal weniger tief ins chaos stuerzen. in kolumbien herrscht ein mittlerer buergerkrieg, der blutig und verlustreich in grossen teilen des landes ausgetragen wird.
guerrilla
farc (fuerzas armadas revolucionarias de colombia)
die aelteste aktive guerrillabewegung lateinamerikas und groesste kolumbiens (17.000 bewaffnete) wurde 1948 waehrend der violencia gegruendet, einem extrem gewalttaetigen buergerkrieg zwischen liberalen und konservativen kraeften. gruender und immer noch "kommandant" ist manuel marulanda (genannt tirofijo - "genauer schuss").
mit einer marxistisch-leninistischen ausrichtung war die farc anfaenglich beschuetzer von liberalen und kommunistischen bauern und beschraenkte sich auf laendliche gegenden, bis sich irgendwann in den 80er jahren der wunsch durchsetzte, die kolumbianische politik mit zu beeinflussen. somit begann ein blutiger guerrillakrieg gegen den staat.
heute hat die farc als hauptgeldquelle entfuehrungen fuer sich entdeckt. im jahr 2000, dem hoehepunkt der entfuehrungen, wurden 3.572 menschen in kolumbien entfuehrt, 2006 waren es immer noch 687 menschen. momentan befinden sich (je nach quelle) zwischen 3.200 und 1.400 menschen in geiselhaft, davon 776 personen in den haenden der farc. interessant dabei ist, dass nicht nur mitglieder der kolumbianischen oberklassen entfuehrt werden, sondern eher angehoerige der unterschicht, was den entfuehrern sichere einnahmen und weniger scherereien mit der polizei erlaubt.
drogenhandel ist mitlerweile eine wichtige einnahmequelle der farc. so kontrolliert sie grosse flaechen, auf denen koka angebaut wird. diese wurden teilweise in nationalparks verlegt, um us-amerikanischen spruehflugzeugen zu entgehen.
eln (ejército de liberación nacional)
die zweite grosse guerrillabewegung kolumbiens wurde 1964 gegruendet und orientiert sich an den schriften che guevaras. agiert aehnlich wie die farc und finanziert sich ebenfalls aus drogenhandel und enftfuehrungen (war verantwortlich fuer die entfuehrung einer deutschen in der ciudad perdida 2003).
die ultrarechten paramilitaers wurden je nach quelle entweder als bewaffnete selbstschutztruppe von kleinbauern oder privatarmee von den in kolumbien immer noch vorhandenen grossgrundbesitzern gegruendet. als ziel wird die bekaempfung von guerrillas angegeben, jedoch gelangen immer wieder bauern und andere unschuldige zivilisten in die schusslinie, die dann hinterher einfach als kollaborateure hingestellt werden.
paramilitar
die auc wird verschiedenster menschenrechtsverletzungen beschuldigt. unter anderem schuechtern sie im auftrag verschiedenster westlicher firmen (coca-cola, nestlé, chiquitita) gewerkschafter ein oder erschiessen sie gleich. immer wieder wird ihnen auch kooperation mit der regierung nachgesagt, was sich 2006 bestaetigte, als medien eine enge zusammenarbeit des kolumbianischen inlandsgeheimdienstes mit paramilitaers nachwiesen.
das ley de justicia y paz (gesetz von justiz und frieden) von 2006 sichert allen paramilitaers fuer den fall, dass sie sich stellen, straffreiheit zu (gilt allerdings nur fuer paramilitaers, nicht fuer guerillas). viele paramilitaers haben sich gestellt und ihre waffen abgegeben, die alten verbindungen allerdings bleiben bestehen. so sind auch paramilitaers aktiv in drogenherstellung und -schmuggel verwickelt und finanzieren dadurch weiterhin ihren krieg gegen die guerillas.
drogenkartelle
kolumbien stellt 80% des weltweit konsumierten kokains her. die dazu benoetigten koka-blaetter werden im land angebaut oder aus peru und bolivien eingefuehrt. die in kolumbien benoetigten infrastrukturen wurden seit den 70er jahren vom medellín-kartell sowie vom kleineren calí-kartell aufgebaut.
das medellín-kartell wurde anfang der 70er jahre in der gleichnamigen stadt von pablo escobar und den ochoa-bruedern gegruendet und machte die kokain-herstellung und dessen schmuggel hauptsaechlich in die usa zu seinem haupterwerbsgebiet. in den 80er jahren machte das kartell einen jaehrlichen umsatz von 25 bis 35 milliarden us-dollar. pablo escobar wurde in dieser zeit lt. dem forbes-magazin als einer der reichsten maenner der welt gefuehrt. fast alle gewinne wurden wieder in kolumbien investiert, es wurden schulen und krankenhaeuser gebaut und andere soziale massnahmen ergriffen (wodurch er weiterhin eine grosse persoenlichkeit ist und von vielen verehrt wird, vor allem in medellín). durch bestechung von korrupten politikern hatte escobar soviel einfluss und macht, dass er eine politische partei gruendete und sich 1982 in den kongress waehlen liess.
wahlplakat fuer pablo escobar - "pablo presidente"
unter dem druck der usa ging die kolumbianische regierung seit 1984 verstaerkt gegen die kartelle vor. es wurde ein gesetz geschaffen, dass die auslieferung von drogenbossen in die usa vorsieht. aus angst vor der auslieferung tauchten die bosse in den untergrund ab und escobar setzte sich an die spitze der "extraditibles" ("der auslieferbaren"), welche einen krieg gegen den staat begannen mit der forderung, dieses gesetz zurueck zu nehmen.
dazu heuerte sich pablo escobar seine eigene kleine privatarmee an und setzte kopfgelder auf jeden getoeteten polizisten aus. 1990 liess er zehn menschen entfuehren, u.a. die tochter eines ex-praesidenten und einige journalisten, um eine gesetzesaenderung zu erzwingen (nachzulesen im periodistischen roman "nachricht einer entfuehrung" - "noticia de un secuestro" von gabriel garcía marquez).
auf jeden fall wurden die gesetze geaendert, escobar ging kurz in ein selbst geschaffenes luxusgefaengnis, floh und wurde 1993 nach 499 tagen auf der flucht in medellín erschossen, womit auch das medellín-kartell mehr oder weniger am ende war.
das calí-kartell aenderte in der folge seine strategie und agierte unauffaelliger. heute haben die kartelle nur noch sehr geringen einfluss, doch deren infrastruktur (landebahnen im urwald, kokaanbaugebiete, kokain-labore) wird von den guerrilla sowie den paramilitaers weiter genutzt.
kolumbianische regierung
die kolumbianischen regierungen waren selten fuer verhandlungsloesungen, sondern meistens auf kriegskurs mit den guerrillas. lediglich andres pastrana ging 2000 auf eine hauptforderung der farc ein und stellte ihnen ein gebiet im amazonas-becken in der groesse der schweiz fuer "verhandlungen" zur verfuegung, aus dem sich die regierungsarmee zurueck zog ("zona de despeje").
doch verhandlungen gabs keine, dafuer verstaerkte offensiven der guerrillas sowie vermehrt entfuehrungen, was dazu fuehrte, dass die regierungsarmee wieder in diese zone einrueckte.
der nachfolger pastranas, ávaro uribe, ein parteiloser, nationalkonservativer hardliner, liess sich mit dem versprechen, die guerrillas auszurotten, zum praesidenten waehlen. dank seiner law-and-order-politik sind die strassen kolumbiens und viele orte wieder sicher und ich kann hier bedenkenlos reisen. dafuer sind die fronten zwischen der guerrilla und der regierung verhaerteter als je und politische loesungen, u.a. auch fuer das geiselproblem (mehrere politiker sowie die praesidentschaftskandidatin ingrid betancourt befinden sich seit 6 oder mehr jahren in den haenden der farc) sind nicht in sicht. auch bedient sich uribe der paramilitaers, um die guerrilla zu bekaempfen. dies fuehrt mitunter zu massakern an der zivilbevoelkerung, die von der auc der kollaboration beschuldigt werden.
ingríd betancourt
die usa finanzieren mit 3,7 milliarden dollar den "plan colombia" der kolumbianischen regierung, der 1999 beschlossen wurde. dieser sieht die massive bekaempfung der drogenproblematik vor. dazu werden koka-felder mit herbiziden besprueht sowie die kolumbianische armee mit militaerhilfe unterstuetzt.
infolge der bespruehungen leidet massiv die umwelt, da auch andere pflanzungen betroffen sind. zum anderen werden die erwerbsquellen vieler bauern vernichtet, die kein koka anbauen, deren felder aber dennoch unter den bespruehungen leiden. zudem werden die koka-bauern bedroht und es gibt berichte von menschenrechtsverletzungen. die guerrilla und die paramilitaers wiederum verlegen die koka-felder einfach in andere gegenden wie z.b. nationalparks.
im diagramm sieht man ganz gut, wofuer die gelder im rahmen des plan colombia verwendet werden. 80% fuer militaerische massnahmen und bespruehungen. lediglich 7% fuer alternativen zu den koka-bepflanzungen, 5% fuer die ueberwachung der einhaltung der menschenrechte bei den massnahmen und 3% fuer vertriebene, die auf den bespruehten feldern nichts mehr anbauen koennen. da stellt sich doch die frage, ob nicht viel mehr fuer praevention sowie soziale massnahmen, speziell in den usa, dem abnehmerland fuer kokain nummer 1, ausgegeben werden sollte.
hugo chávez
der venezolanische praesident mischt sich gerne in den konflikt im nachbarland ein, und das am anfang auch noch gewollt. mitte 2007 betraute alvaró uribe die senatorin piedad cordobá mit der aufgabe, wege zur loesung des guerrilla-problems zu finden. diese ernannte hugo chávez prompt zum verhandlungsfuehrer, was uribe wohl oder uebel anerkennen musste. chávez verhandelte also und konnte schon bald erfolge vorweisen: die farc war prinzipiell zum gefangenenaustausch bereit (45 geiseln gegen 500 inhaftierte farc-guerrilleros) und chávez wollte sich mit "tirofijo" im kolumbianischen urwald treffen.
nach einer lapalie jedoch (chávez telefonierte ohne ruecksprache mit der regierung mit dem kolumbianischen armeechef) entband uribe den venezolanischen praesidenten von seiner aufgabe. was folgte, waren schwere wortgefechte zwischen den beiden, in denen sie sich gegenseitig das scheitern der verhandlungen in die schuhe schiebten, sowie eine schwere krise zwischen den beiden laendern, in denen sogar die jeweiligen botschafter abgezogen wurden.
chávez begann dann mit dem polemischen gefecht; so stellte er kolumbien als teil venezuelas dar, bezeichnete die farc als regulaere armee kolumbiens und betonte, dass venezuela an die farc grenzen wuerde und nicht an kolumbien. hoert sich grundsaetzlich alles nicht so schlimm an, jedoch sind ueber 90% der kolumbianer mittlerweile schlecht auf den praesidenten des nachbarlandes zu sprechen und sind gegen eine mediation von chávez.
mittlerweile hat frankreich (die entfuehrte ingrid betancourt hat neben der kolumbianischen auch die franzoesische staatsbuergerschaft, weshalb frankreich stark involviert ist) chávez um eine weitere vermittlung gebeten, die auch fruchtbar ist: ende dezember wurden die wahlkampfhelferin von betancourt, clara rojas, sowie eine senatorin freigelassen. und in den naechsten tagen sollen lt. der kolumbianischen presse vier politiker aus der geiselhaft entlassen werden.
soviel zu den hintergruenden und dem, was sich grad so abspielt in kolumbien. naechstes mal gibt´s wieder bunte fotos und tolle erlebnisse.
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