Sonntag, 20. Januar 2008

bolivien...


...ein land voller gegensätze. das fünftgrösste (3mal so gross wie deutschland) und ärmste land südamerikas hat etwa 80 verschiedene volksgruppen. die beiden grössten sind die quechua (direkte nachfahren der inkas) und aymara (nachfahren der prä-inka-kultur tiahuanaco).

die spanier, welche in ihrem kolonisationsdrang wenig rücksicht auf indigene grosskulturen nahmen, ermordeten 1572 den letzten inka-herrscher (túpac amaru) und besetzten das land als kolonie.


potosí
grosse bedeutung erlangte bolivien, als in potosí silber gefunden wurde. prompt wurde potosí, zuvor ein kleines kaff mitten auf dem anden-hoch-plateau altiplano, zum zentrum der glücksritter und der quelle des spanischen reichtums (obwohl spanien zu dieser zeit durch die amerika-eroberungen finanziell so ausgelaugt war, dass die silbervorkommen zum abzahlen der kredite der grossen europäischen geldgeber wie der augsburger függer verwendet wurden - "españa tenía la baca, pero otros tomaban la leche" - "spanien hatte die kuh, aber andere tranken die milch"; eduardo galleano). der ehemalige reichtum drückt sich unter anderem in einem spanischen sprichwort aus: "vale un potosí" ("es ist ein potosí wert", aus don quijote).

potosí galt zu dieser zeit als höchstgelegene (4.070m) und reichste stadt der welt und grösser als new york, rom und london. das mit dem "höchstgelegene grossstadt der welt" gilt auch heute noch, alles andere nicht...

zur ausbeutung des silbers liessen die spanier die indigene urbevölkerung (aus der gesamten region von ecuador bis argentinien) in der mine schuften. als diese wegen der extrem hohen belastung und der schlechten arbeitsbedingungen wie die fliegen starben, wurden afrikanische sklaven eingeschifft. diese waren zwar an belastung gewöhnt, allerdings nicht an die höhe. also starben auch diese wie die fliegen. der uruguayanische schriftsteller eduardo galeano spricht in seinem buch "venas abiertas de américa latina" ("die offenen venen lateinamerikas") von bis zu 8 millionen menschen, die ihr leben in den minen liessen.

hab die mine heute mal besucht, ist schon bedrückend, wie menschen heutzutage noch unter diesen bedingungen arbeiten können. staub, dunkelheit, hitze, vorsintflutliche arbeitsgeräte, wenig sauerstoff - bedingungen wie noch vor 300 jahren. kein wunder dass die minenarbeiter das nur mit koka-blättern ("hojas sagradas" - "heilige blätter") ertragen. selbst kinderarbeit ist erlaubt, mit zehn, elf jahren werden die söhne schon von ihren vätern mitgenommen. dafür liegt die lebenserwartung im schnitt bei 50 jahren.


gedenkstatue an die mineros, im hintergrund der cerro rico ("reicher berg"), welcher die 478 minenzugänge beherbergt


gearbeitet wird mit hand...


...oder mit veralteten geräten (presslufthammer zum bohren der löcher für das dynamit)


"el tío" ("der onkel"), schutzheiliger der mineros. ihm werden zweimal im monat kokablätter, 96%iger alkohol (der auch von den mineros getrunken wird), koka-zigarretten und ähnliches gespendet. als gegenleistung beschützt er die mineros

die silbervorkommen erloschen irgendwann, und es folgte der fall potosís. heute werden in verhältnismässig kleinem massstab zink und andere metalle abgebaut. noch interessant: in potosí gibt es den einzigen markt weltweit, wo man legal dynamit erwerben kann.


geschichte boliviens
auf jeden fall wurde bolivien 1825 unabhängig (befreit durch simón bolívar; zu dessen ehren auch der name "bolivien"), verlor in den folgenden jahrzehnten grosse teile seines landes in kriegen (salpeterkrieg 1879 - 1883 gegen chile - verlust des meereszuganges; 1903 - verlust von land im norden an brasilien; chacokrieg 1932 - 1935 gegen paraguay - verlust riesiger landesteile im süden) und wurde auch noch durch eine nazifreundliche militärjunta regiert (unter hugo banzer, 1971 - 1978).

zwei diktatoren unter sich: hugo banzer suárez (r.) mit augusto pinochet, 1975 - hatten sich eigentlich aufgrund des bolivianischen wunsches nach einem zugang zum meer nicht so lieb, aber zur verfolgung von regimekritikern tat man sich auch schon mal gern zusammen ("operación condor")

naja auf jeden fall wurde banzer 1978 gestürzt und mehrere mehr oder weniger erfolgreiche demokratische regierungen folgten. 1997 wurde hugo banzer nach einer demokratischen wahl mit starker us-unterstützung erneut zum präsidenten gewählt (sowas gibt´s auch nur in südamerika, man stelle sich vor ein diktator wie hitler oder stalin würde erneut gewählt worden). 2002 war wegen krebs schluss, es versuchten sich einige andere, doch mit allen waren die bolivianer unzufrieden, da sie entweder den koka-anbau verbieten wollten (banzer), bolivianisches erdgas in die usa verkaufen wollten (sánchez de lozada) oder schlichtweg, weil sie das gas nicht verstaatlichen wollten (mesa).

2005 wurde dann mit haushohem vorsprung der indígeno und ehemalige koka-bauer evo morales gewählt, der mit seiner linken politik vor allem die arme landbevölkerung für sich gewinnen konnte. prompt verstaatlichte morales die für boliviens wirtschaft und psyche lebensnotwendige gasindustrie, verbrüderte sich mit anderen sozialistischen führern wie hugo chavez und fidel castro und stellte sich gegen die usa, indem er für den anbau der koka-pflanze und ihre nutzung als traditionelles heilmittel und kulturgut warb ("coca si, cocaíne no" - "koka ja, kokain nein").

bei den nachfahren der alten inka- und tiahuanaco-kulturen, die hauptsächlich auf dem altiplano leben, kommt morales mit dieser politik super an. die eher reicheren nachfahren europäischer einwanderer im tiefland ("media luna" - "halbmond", weil diese tieflandregionen einen halbmond in bolivien bilden) sind von ihm nicht ganz so begeistert und äussern immer mal wieder abspaltungsgedanken, zuletzt im dezember 2007, wo es in santa cruz und anderen städten zu heftigen unruhen kam.

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